„Wenn man über Klima nachdenkt, reicht es nicht, nur Bäume zu umarmen, man muss auch an die Sicherheit denken“
Vortrag und Podiumsdiskussion mit Sicherheitsexperte Frank Sauer
Gut 70 Interessierte waren auf Einladung von KLIMA³ und der Akademie für Politische Bildung Tutzing in den Saal der Sparkasse Fürstenfeldbruck gekommen, um den Vortrag von PD Dr. Frank Sauer und die anschließende Podiumsdiskussion zu verfolgen.
Frank Sauer, Privatdozent an der Universität der Bundeswehr, ist Experte für Sicherheit und Verteidigungspolitik in Deutschland und Mitautor der Studie „NIKE – Nationale Interdisziplinäre Klimarisiko Einschätzung“. Die wissenschaftliche Untersuchung zeigt die Risiken des Klimawandels für die nationale Sicherheit Deutschlands bis 2040 auf. Sie wurde gemäß der Nationalen Sicherheitsstrategie (2023) von der Bundesregierung in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der Klimakrise auf die nationale Sicherheit zu bewerten und informierte Handlungsentscheidungen abzuleiten. Erstellt wurde die Studie gemeinsam vom Metis Institut für Strategie und Vorausschau der Universität der Bundeswehr München, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, adelphi research sowie dem Bundesnachrichtendienst. Die zentrale Botschaft der Studie lautet: „Wer Sicherheit denkt, muss Klima mitdenken“.

Klimakrise beeinflusst Sicherheit
Die Klimakrise hat Implikationen für die menschliche Sicherheit jedes und jeder Einzelnen und für die staatliche Sicherheit Deutschlands. „Wir sind heute schon von Klima-Extremen betroffen“, stellte Sauer fest und zeigte die Effekte auf, u.a. vermehrte und längere Hitzeperioden, vermehrte Starkregenereignisse und neue Infektionskrankheiten. „Der Klimawandel ist nichts Abstraktes, er bringt Menschen um, auch hier in Deutschland“, machte Sauer deutlich und erinnerte u.a. an die Flut im Ahrtal 2021 und das Hochwasser in Süddeutschland 2024. Klima-Extreme bedrohen Menschenleben und verursachen wirtschaftliche Schäden: Eine Studie im Auftrag der Bundesregierung errechnete für den Zeitraum 2000 bis 2021 ca. 1400 Todesfälle pro Jahr durch Extremwetter und Schäden in Höhe von 145 Milliarden Euro in Deutschland.
Die Herausforderungen für die EU sind ähnliche: Für den Zeitraum von 1980 bis 2020 werden die volkswirtschaftlichen Schäden auf 450 bis 520 Mrd. Euro geschätzt. Im gleichen Zeitraum gab es 90.000 Todesopfer, die Mehrheit durch Hitzewellen. Besonders betroffen ist die Mittelmeerregion, sie erwärmt sich um 20 Prozent schneller als andere Regionen. Spanien, Frankreich und Italien sind am stärksten von Dürren betroffen. Dies hat Auswirkungen auf Landwirtschaft, Tourismus und soziale Folgen: Ausbleibende Touristen können Jobverluste bewirken und verstärkte Abwanderung in andere Regionen nach sich ziehen, was zu erhöhten Spannungen innerhalb der EU und zunehmendem Konfliktpotential führen kann.
Auf globaler Ebene sind die Folgen noch gravierender, da in der Peripherie oft eine höhere Anfälligkeit für den Klimawandel und eine geringere Anpassungsfähigkeit besteht. Der Klimawandel wirkt hier als Konfliktverstärker, indem Ressourcen knapper werden, insbesondere Grundnahrungsmittel und Trinkwasser. Dies kann zu politischer Instabilität, häufigeren humanitären Krisen, terroristischen Aktivitäten und Migration nach Europa führen.
Raus aus der Abhängigkeit oder weiter Energie importieren?
Sauer sieht angesichts des Klimawandels jedoch auch „gewaltige Chancen in der Entwicklung – wenn man sie nutzt“. Er spielte damit auf die Erneuerbaren Energien an und plädierte dafür, die Energiewende und sog. Near-Shoring, also Wertschöpfung in Europa, als strategischen Vorteil zu begreifen. Im Hinblick auf die Energiepolitik sagte er: „Es wäre es töricht, wenn wir uns in die nächste Abhängigkeit begeben.“ Stattdessen sollten eigene Resilienzen aufgebaut und neue Märkte erschlossen werden. „Wir unterschätzen permanent die rasante Entwicklung der erneuerbaren Energien“, stellte Sauer fest.

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Frank Sauer und KLIMA³-Geschäftsführer Andreas Weigand lenkte Moderatorin Dr. Giulia Mennillo den Fokus wieder zurück von der globalen Ebene auf die Region. „Unser Energiesystem stützt sich künftig auf einen Mix aus Erneuerbaren Energien, vor allem Windkraft und Fotovoltaik, sowie einer zunehmenden Elektrifizierung von Wärme, z. B. Wärmepumpen, und der Mobilität auf der Lastseite“, erläuterte Weigand. Experten arbeiteten bereits heute an Lösungen, um Netze zukunftsfähig und dezentral zu machen. „Das ist ein fundamentaler Wandel des Systems“, so Weigand.
Deutlich wurde die Verbindung zwischen den großen geopolitischen Fragen und lokalen Handelns an der Frage, wie man mit Abhängigkeiten umgeht, die im Ernstfall als Waffe eingesetzt werden. „Wir alle erinnern uns an 2022, als plötzlich Erdgaslieferungen aus Russland ausblieben“, stellte Sauer fest. „In der Kommunalen Wärmeplanung muss diese Frage mitgedacht werden – setzen wir auf lokale Energieträger oder wollen wir weiter importieren?“, ergänzte Weigand.




