Fuchstal
Gebäudedaten
Gemeinde
Zusammenschluss der Gemeinden Asch,
Leeder und Seestall (ab 1972)
4230 Einwohner
Fuchstal
Allgemeine Gebäudedaten:
Die Verwaltungsgemeinschaft Fuchstal im Süden des Landkreises Landsberg am Lech ist vor allem für ihre regenerative Energieversorgung bekannt. Seit 2009 wurden ein Wärmenetz für die Abwärmenutzung aus der örtlichen
Biogasanlage und eine sogenannte Energiezentrale für die Wärmeversorgung gebaut. Auch die Stromversorgung der 4200 Einwohnergemeinde ist durch regenerative Energieerzeugungsanlagen wie Frei- und Dachflächen-Photovoltaikanlagen (PV), ein Wasserkraftwerk und sieben Windräder im
angrenzenden Forst gedeckt. Die Gemeinde erzeugt insgesamt dreimal so viel Energie, wie sie benötigt und ist nahezu 100% energieautark.
Wärmetechnologie:
Im Jahr 2009 wurde mit dem Bauabschluss der Biogasanlage und dem anschließenden Baubeginn des örtlichen Nahwärmenetzes der Grundstein für die heutige Energieversorgung von Fuchstal gelegt. An die Biogasanlage wurden zunächst vor allem die örtliche Mittelschule und kommunale Nebengebäude angeschlossen. Mit einer Wärmeerzeugung von 8 MWh und einer Anschlussquote von 30% konnten mit der Zeit zudem über 220 Grundstücke in das Wärmenetz eingebunden werden. Heute misst das Netz rund 12 km und verläuft in Leeder und Asch ca. 50 % Altort und 50 % in Neubaugebieten. Einzig der Ortsteil Seestall profitiert nicht von der Fuchstaler Energieversorgung. Hier konnte durch eine niedrige Grundwassertiefe auf Grundwasser-Wärmepumpen zurückgegriffen werden.
Ergänzt wird die bestehende Biogasanlage von zwei weiteren Komponenten der Wärmeerzeugung. Die erste Komponente nutzt vor allem den überschüssigen Strom aus den Windrädern. In der Energiezentrale der Gemeinde wird
der Negativstrom der Windräder über das Power-to-Heat Modul (5,9 MW) für die Wärmegewinnung verwendet und anschließend im 5000 m³ großen Wärmetopf zwischengespeichert. Hierfür führt eine eigene Mittelspannungsleitung zur Energiezentrale und ermöglicht die Umwandlung (bei Negativ-Stromzeiten) von Windenergie in Wärme. Der Speicher
sorgt damit für die notwendige Netzentlastung, sodass die Windräder nicht abgeschaltet werden müssen. Hinzu kommt ein kleinerer 200 m³ Speicher. Das Prinzip der Sektorkopplung (Nutzung von Strom für die Wärmeversorgung) wird durch einen Batteriespeicher mit 5,8 MW Leistung und 3,5 MWh Speicherkapazität abgerundet.
Die zweite Komponente ist eine Hackschnitzelheizung, die die restliche Energie für die Ortschaft liefert. Diese sind im Energiemix von Fuchstal der teuerste Energieträger, jedoch kann so sichergestellt werden, dass nur erneuerbare Energieträger in das Wärmenetz mit einfließen.
Stromerzeugungsanlage(n):
Die Grundlage der klimafreundlichen Stromerzeugung wurde bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Laufwasserkraftwerk der Teilgemeinden Asch und Leeder (Genossenschaftliches E-Werk Asch-Leeder) gelegt und versorgt seit
über 125 Jahren die Gemeinde Fuchstal mit jährlich 300 000 kWh Strom aus Wasserkraft. In den letzten 10 Jahren
wurden kontinuierlich Photovoltaik-Anlagen (PV) auf Dächern der kommunalen und privaten Liegenschaften ausgebaut.
Im Zuge der großen Gemeindefläche kamen auch drei kommunale Freiflächenanlagen mit einmal 500 kWp und zwei
Anlagen mit je 750 kWp hinzu. Insgesamt werden heute in der Gemeinde Fuchstal rund 12 Mio. kWh Strom durch Photovoltaikanlagen erzeugt. Allein 500 kWp Leistung entfallen hierbei auf installierte Dachflächenanlagen öffentlicher Gebäude. Hinzu kommen die Photovoltaikanlagen der Bevölkerung auf den privaten Wohnhäusern wie auch die Freiflächenanlagen.
Seit der Inbetriebnahme 2016 zählen vier Bürgerenergie-Windanlagen im angrenzenden Staatsforst Kingholz bei Leeder
zu den Stromerzeugungsanlagen der Gemeinde. Mit rund 25 Mio. kWh Ertrag decken die vier Windräder den Strombedarf der Gemeinde von rund 24 Mio. kWh.
Neue Windkraftanlagen mit Forschungsprojekt
Die jüngste Ergänzung des Strommixes der Gemeinde stellt die Erweiterung der bestehenden Windanlagen um drei weitere Bürgerenergieanlagen dar. Diese sind im Mai 2024 in Betrieb gegangen. Essenziell für die Entstehung und die Genehmigung war die Installation von zwei IdentiFlight Türmen zum Monitoring des Rotmilans. Das Projekt im angrenzenden Forst stellt damit das erste Vogelmonitoring in einem Wald in Europa dar. Dies spielt im Ausbau der Windkraft in
Bayern eine signifikante Rolle, da sich die Zahl der Rotmilane zwischen den beiden artenschutzrechtlichen Gutachten
der beiden Windkraftanlagen zwischen den Jahren 2013 und 2018 versechsfacht hat. Die politischen Ausbauziele, auf
künftig 2% der Landflächen Windkraftanlagen zu betreiben, könnten im Freistaat durch die zunehmende Rotmilan-Populationen auf 1% reduziert werden und eine klare Zielverfehlung darstellen. Um die Auswirkungen der Windräder auf
den Greifvogel erforschen zu können, werden im Rahmen eines Forschungsprojektes bis Ende 2026 Daten über die
Flugbewegungen der Vögel erhoben. Hierbei werden die Umdrehungen der Windradrotoren verlangsamt, sobald ein
Rotmilan in den Schutzradius von 350m um das Windrad einfliegt. Das Projekt wird von der Vogelschutzwarte GarmischPartenkirchen begleitet und durch die Hochschule Triesdorf-Weihenstephan ausgewertet.
Seit der Inbetriebnahme werden mit den sieben Windrädern rund um die Gemeinde 55 Mio. kWh Strom erzeugt, wobei
die drei neuen Anlagen einen 20% höheren Ertrag erzeugen als die vier bereits bestehenden Windräder. Zusammen mit
den anderen regenerativen Energieerzeugungsanlagen wird dreimal so viel Energie erzeugt, wie Fuchstal selbst benötigt,
sodass die Verwaltungsgemeinschaft nahezu 100% energieautark ist.
Neben der Mittelspannungsleitung zur Energiezentrale verläuft eine weitere Mittelspannungsleitung mit rund 10 km
nach Bidingen und eine weitere zum Umspannwerk an der Staustufe 11, wo der Strom ins Netz eingespeist wird. Fuchstal
versorgt so unter anderem beispielsweise indirekt den Automobilzulieferer Hirschvogel mit regenerativ erzeugtem
Strom.
Planungsvorgang und Herausforderungen:
Beim Ausbau der regenerativen Erzeugungsanlagen für Fuchstal stellten vor allem die bürokratischen Hürden Herausforderungen dar, wodurch sich die Genehmigungsverfahren zwischen den beiden Bauabschnitten der Windkraftanlagen
um zwei Jahre verlängerten.
Zudem spielte der Rückhalt in der Bevölkerung vor allem für die Finanzierung der Windkraftanlagen eine ausschlaggebende Rolle. Die vier ersten Windräder wurden teilweise durch Einlagen der Bevölkerung und die Beteiligung der Gemeinde gedeckt. Hierbei wurden jedoch aufgrund des geringen Interesses auch rund zwei Drittel externe Investoren aus
anderen Gemeinden hinzugezogen. Bei den darauffolgenden Windenergieanlagen (Inbetriebnahme 2024) wurden 50%
der Investitionen durch die Gemeinde übernommen. Die möglichen Einlagen der Bevölkerung wurden aufgrund des großen Interesses jedoch gedeckelt. Heute sind rund 245 Personen durch einen Mindestbetrag von 5000€ und einen Maximalbetrag von 50 000€ Gesellschafter der drei neuen Bürgerenergieanlagen (115 Gesellschafter bei den Anlagen
2016). Beide Male hat man sich gegen einen großen externen Investor entschieden, sodass das ausgeschüttete Geld
dem Dorf zugutekommt. Im Falle der ersten vier Windenergieanlagen konnten mittlerweile 96% der Einlage ausgeschüttet werden.
Zuletzt sorgte die Montage der Rotorblätter bei den letzten drei Windrädern für Zeitverzögerungen. Diese wurden vor
der Montage nicht mehr auf eventuelle Transportschäden geprüft. Die Rotoren wurden erst nach der Montage als mangelhaft bezeichnet, sodass sechs der insgesamt neun Rotorblätter wieder abgenommen werden mussten. Durch die zeitliche Verzögerung musste auch die geplante Inbetriebnahme vom Oktober 2023 in den Mai 2024 verschoben werden.
Für Ertragsausfall konnte jedoch ein Ausgleich gefunden werden
Zukunftsausblick:
Aktuell sind bereits mehrere Projekte in Arbeit, die in den kommenden Jahren realisiert werden. Bis zum Spätherbst 2024
sollen vor allem mehr Ladestationen am Rathaus entstehen. Aufgrund des Platzmangels werden hierfür sogenannte Ladebordsteine der Firma Rheinmetall eingesetzt. Diese gleichen in der Funktionsweise der herkömmlichen Ladestation
werden aber im Bordstein versenkt. Zudem verfügt der Ladebordstein über eine integrierte Heizfunktion, um die Klappe
auch im Winter öffnen zu können. Im Sommer wird die Elektronik durch das Erdreich gekühlt.
Des Weiteren ist der Bau eines Solar-Carports in der Nähe der Supermärkte geplant. Hier entsteht ein Gebäude mit
insgesamt vier E-Tankstellen. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach speist mit einer 80 kWp Leistung die Lademöglichkeiten für die E-Fahrzeuge der einkaufenden Bevölkerung.
Fuchstal ist seit August 2023 Teil des Projektes „Fuchstal leuchtet“. Zusammen mit der Technischen Hochschule Augsburg, der TH München und der Uni Braunschweig wird hierbei an einem Konzept zum unabhängigen Inselbetrieb gearbeitet. Dies ist vor allem im Falle eines Netzzusammenbruchs hilfreich, um funktionsfähige Inseln als Starthilfe zur Wiederherstellung der Netzstabilität heranzuziehen.